Wo meine Sehnsucht ein Zuhause hat

Bild: Claudia Hofrichter

Ein geistlicher Impuls zum neuen Jahr von der Geistlichen Leiterin des Diözesanverbands Rottenburg-Stuttgart, Claudia Hofrichter.

Wo meine Sehnsucht ein Zuhause hat

„Da wohnt ein Sehnen tief in uns, o Gott, nach dir, dich zu sehn, dir nah zu sein. Es ist ein Sehnen, ist ein Durst nach Glück, nach Liebe, wie nur du sie gibst.“ Die englische Komponistin Anne Quigley hat dieses Lied 1973 geschrieben. Es steht im Kath. Gotteslob Nr. 846.

Das ist ein starker Sehnsuchtsruf, der vermutlich jede und jeden berührt. Wonach sehnt Ihr euch am meisten? Worauf hofft Ihr tief in eurem Herzen für 2024? Die stärkste Sehnsucht ist gewiss die nach Frieden für die geschundene Welt. Die Menschen in den Kriegsgebieten tragen den tiefen Wunsch in sich, dass Friede endlich möglich wird, die Heimat nicht zerstört wird, Meinungsfreiheit und Menschenwürde geachtet werden. Das tiefe Sehnen nach Ganz sein verbindet viele Menschen in unserer Nähe: Lebenspartner sehnen sich nach Harmonie, nach einem möglichst konfliktarmen Leben und nach dem beherzten Wort zur rechten Zeit. Andere sehnen sich nach gerechten Arbeitsverhältnissen, nach angemessener Entlohnung und vernünftigen Arbeitszeiten. Dafür sind sie bereit, viel zu investieren. Kranke Menschen sehnen sich nach Gesundheit. Sie erhoffen sich den Mut und die Kraft Unabänderliches auszuhalten und tragen zu können.

Was stärkt uns in all den Krisen, die wir durchleben? Wo kann unsere Sehnsucht ein Zuhause haben? Meine Sehnsucht ist getragen vom Anfang und Ende der Bibel. Gott sah alles an, was er gemacht hatte: Und siehe, es war sehr gut“, lese ich im ersten Kapitel. Und am Ende: „Gott wischt die Tränen ab.“ Er wohnt inmitten seiner Schöpfung. „Keine Trauer, keine Klage, keine Mühsal wird mehr sein. Was früher war, ist vergangen.“ Alles wird neu. Dazwischen erzählt die Bibel eine Krisengeschichte nach der anderen. Die Menschen der Bibel erfahren, wie Gott mit ihnen unterwegs ist, auf ihre Gebete hört und ihnen die Kraft gibt, das Unabänderliche zu tragen und zu verwandeln. Gottes Kraft kommt sanft und leise in das zarte und zerbrechliche Leben. Dieses tiefe Sehnen nach Gottes Kraft macht unsere Herzen stark und sieht die Hoffnung in allen Schrecken, spürt das Vertrauen trotz aller Angst.

Adolph Kolping war ein großer Zeuge, dass sich dieses tiefe Sehnen nach Gott lohnt. Diese tiefe Sehnsucht machte ihn fähig, sich viel zuzutrauen und für seine Überzeugungen für eine bessere Welt hartnäckig und ausdauernd einzutreten. So hat er ein Stück seiner damaligen Gesellschaft verändert. Bis heute inspiriert Kolping unsere Kolpingsfamilien und viele, die seine Perspektiven sich zu Eigen machen.

Wo meine Sehnsucht ein Zuhause hat? Diese biblischen Erfahrungen gibt es bis heute. Die Erfahrungen Adolph Kolpings gibt es bis heute. Auf sie verlasse ich mich. Ich möchte meine Sehnsucht nach Gottes Beistand in allem und mein Vertrauen allem zum Trotz im Jahr 2024 bewahren und mich immer wieder aufmachen, die Welt dort zu verändern, wo es mir möglich ist.

Claudia Hofrichter