200 Jahre alt, dennoch „aktueller denn je“

Plochingen. Wenn Adolph Kolping heute an diesem Mikrofon stünde, würden wir wohl einen ungemütlichen Vortrag hören“, sagte Uwe Schorsch, der Vorsitzende des Bezirksverbandes Esslingen-Reutlingen der Kolpingsfamilie. Denn dass auch heute noch über gerechten Lohn und Geringverdiener geredet werden muss, ginge dem katholischen Sozialreformer gewiss gegen den Strich. Mit einem großen Aufmarsch, Gottesdienst und Geselligkeit wurde Mitte Juli in Plochingen Kolpings 200. Geburtstag gefeiert.

Das Glockenspiel am „Grünen Baum“ ließ zu diesem Anlass ungewohnte Töne hören: Organist Peter Ziegler spielte zwölf Stücke, von Teilen der Wassermusik Händels über Kirchenlieder bis hin zu Morgenliedern. Tatsächlich erwiesen sich die Angehörigen der Kolpingsfamilie mit den angereisten Delegationen, unter anderem dem Fanfarenzug aus Zwiefalten, als Frühaufsteher und fingen pünktlich um 9 Uhr an. Bürgermeister Frank Buß begrüßte die Gäste. Uwe Schorsch erinnerte daran, dass man nicht nur feiern, sondern aufmerksam machen wolle auf einen „der wichtigen Männer der christlich-sozialen Bewegung im 19. Jahrhundert“.

Bekannt sei er als Gesellenvater — er gründete eine Selbsthilfeorganisation für unselbständige Handwerker. Er war aber auch bedeutend als Publizist und Volksschriftsteller, denn wohl als erster katholischer Priester nutzte er die Presse. Als Herausgeber der Rheinischen Volksblätter und mit seinem „Kalender für das katholische Volk“ setzte er sich mit den Themen der Zeit auseinander. Aufmerksam machte die Kolpingsfamilie in Plochingen zunächst mit Bannerträgern und dem Fanfarenzug der Kolpingsfamilie Zwiefalten, die den Weg zur Stadthalle und damit zur Eucharistiefeier mit Generalpräses Monsignore Ottmar Dillenburg wiesen. Politisch vereinnahmen ließ sich Kolping zu seiner Zeit wie heute von keiner Seite. Er propagierte Bildung und Fürsorge für das Volk, aber ohne „politisches Heilsversprechen“, wie Landtagspräsident Guido Wolf anschließend in seiner Ansprache sagte. Er habe sich der Not der Menschen angenommen, aber Erfüllung in Arbeit und im Zusammenhalt gesucht: „Ihm ging es nicht um Systeme und Strukturen, ihm ging es um den einzelnen Menschen und dessen Würde.“ Dabei sei er kein Theoretiker oder Ideologe gewesen, sondern ein „Macher“, einer, der auf praktische Schritte setzte. Dennoch gebe Adolph Kolping uns auch heute einen politischen Auftrag. Themen wie Werkverträge, Mindestlohn oder Zeitarbeit würde er mit Sicherheit „furchtlos anfassen“, war der Landtagspräsident überzeugt. Denn „ohne faire Arbeitsbedingungen können wir uns alles Gerede über eine Kultur des Lernens sparen“, sagte Wolf. Nötig seien kluge, ordnungspolitische Regeln, „um gesellschaftlich erwünschte Ergebnisse des Wirtschaftshandelns wahrscheinlicher zu machen.“

Gleichzeitig war für Adolph Kolping die Familie von zentraler Bedeutung. Deshalb sei eine besonders wichtige Aufgabe in seinem Sinne der Schutz der „klassischen Familie“. Für sie gelte es, gute Voraussetzungen zu schaffen — mit Geld, aber nicht nur mit Geld. Als Organisation, die in mehr als 60 Ländern der Welt tätig ist, hält das Kolpingwerk auch den Gedanken des fairen Handels und der Solidarität zwischen den Völkern hoch. So kamen Vertreter von Kolping International und des Facharbeitskreises Eine Welt zur Feier und beim Gottesdienst wurde für Burundi gesammelt. „Kolping funktioniert überall“, sagte Guido Wolf. Er sei „ein Vorbild, das nicht altert, sondern aktueller ist denn je“.

Text: mit freundlicher Genehmigung von Karin Ait Atmane; Fotos: Josef Wagner (KF Schwäbisch Hall)