Schutz und Sicherheit

Mitglieder der Kolpingsfamilie Ergenzingen befüllten am Karsamstag die Ostertüten. Bild Claudia Hofrichter.

Die Kolpingsfamilie Ergenzingen hat am Karsamstag Kolpingmitglieder und Kolpingbegeisterte, die in einer besonderen Lebenssituation sind, sowie Geflüchtete mit Ostertüten beschenkt.

Die Kolpingsfamilie Ergenzingen hat am Karsamstag wieder ihre Osternestaktion durchgeführt. In diesem Jahr wurden die Eier und Hasen in Ostertüten mit einem österlichen Wunsch in deutscher, ukrainischer und englischer Sprache verpackt. 100 Tüten wurden vom "Treffle"-Team und Kolpinggeschwistzern verteilt. 

Protection and safety, Schutz und Sicherheit – das waren die beiden Stichworte, die in jedem unserer Gespräche mit den Geflüchteten bei der Übergabe unserer Ostertüten eine Rolle spielten. Alle sagten uns, wie sehr sie hier den Schutz und die Sicherheit für sich und ihre Kinder genießen. Naja, genießen ist vielleicht den Mund zu voll genommen. Die Mütter und ihre Kinder und die älteren Frauen als auch die Familien, die in weiteren Ländern um ihr Leben bangen mussten, sind so froh um den sicheren Hafen, in dem sie Aufnahme gefunden haben, um Ruhe zu finden. Diese Ruhe wird ständig unterbrochen durch die schlimmen Nachrichten aus der Heimat. Die Sorge um die Daheimgebliebenen und um ihre Männer und Väter der Kinder ist groß. Was wird aus der Heimat werden? Die Kinder tollen durch die Gänge, die Jugendlichen vermissen ihre gewohnte Umgebung und ihre Freunde. Die Mütter und Großmütter sind nachdenklich, manche schweigsam, andere erzählen. Das Trauma der Flucht und der Trennung wird von Müttern und Kindern sehr unterschiedlich verarbeitet.

Diese Begegnungen erinnerten uns an die Jünger auf dem Weg nach Emmaus denken (Lukas 24,13-35). Sie waren völlig durcheinander, traumatisiert vom größten Verlust ihres Lebens, voller Enttäuschung, voller Sorge, ob es noch eine gute Zukunft für sie geben würde. Die Jüngerinnen und Jünger waren Zeuginnen und Zeugen des gewaltsamen Todes ihres Meisters und Freundes Jesus geworden. Sie wussten gar nichts mehr. Und alles, was sie von anderen hörten, jagte ihnen noch mehr Schrecken ein. Die Wunde, die dieses Ereignis geschlagen hatte, war unermesslich groß. Doch sie erstarren nicht total, sie bleiben noch in Bewegung. Dass sie aus Jerusalem weggehen, erscheint wie eine Flucht, von der sie nicht wissen, wohin sie letztlich führen würde. Unterwegs reden, reden und reden sie. Sie wiederholen immer wieder, was ihnen geschehen ist. Und sie haben Glück. Ein anderer Wanderer gesellt sich zu ihnen und hört ihnen zu. Und er stellt Fragen, mindestens rhetorische Fragen. Dieser Zugewinn, diese Deutung lässt die Beiden hinzulernen, aufhorchen, ahnen, dass es doch noch Zukunft gibt für sie. Wandlung wird möglich. Wenigstens in einem ersten kleinen Schritt. Heilsam wird es für sie, als sie gemeinsam einkehren und miteinander Brot teilen, so wie sie es kannten. Da erkennen sie in dem Fremden ihren Freund Jesus. Ihr altes Leben vor der Katastrophe verbindet sich nun mit der neuen Situation. Zukunft wird möglich. Neuwerden, aufbrechen, zurückkehren zu den anderen Jüngerinnen und Jüngern. Dieser Fremde hat ihnen ihre Sicherheit zurückgegeben, dieser Fremde war für sie unterwegs wie eine Schutzzone, in der die Sorgen geborgen waren und ein leises Aufbrechen möglich wurde.

Gewiss, so schnell wie in der Emmausgeschichte erzählt, geht es nicht. Weder den Krieg in der Ukraine kann man so leicht erklären; das ist ein sehr komplexes Unterfangen. Noch ist die Lösungssuche einfach. Doch die Emmauserzählung schenkt eine Ahnung, dass die Sehnsucht nach Glück, nach einer Zukunft nicht umsonst sein wird und es sich lohnt, daran festzuhalten. Die Emmausgeschichte erzählt uns auch, wie wichtig Menschen am Weg sind, Menschen, die beistehen und begleiten, die da sind, die unterstützen und stärken.

Die Frauen und ihre Kinder haben Ideen, was ihnen in diesem Augenblick hilft: sie wollen Deutsch lernen, wenigstens alltägliche Dinge in Deutsch bereden können, sie möchten arbeiten können, sie wünschen sich, dass ihre Kinder in die Schule und in den Kindergarten gehen können. All das wird nach den Osterferien wohl umgesetzt werden können. Und sie sind froh um die Ruhe und den Schutz und die Sicherheit, die sie haben.

Claudia Hofrichter