Sinusstudie: Wie ticken Jugendliche?

Sinus-Lebensweltmodell

Christine Uhlmann. Bild: Privat

Das Kolpingwerk Diözesanverband Rottenburg Stuttgart hat in Zusammenarbeit mit der keb Stuttgart zu einem Sinusstudienabend ins Haus der Katholischen Kirche in Stuttgart eingeladen.

Wie ticken Jugendliche heute? Ein schwer zu beantwortende Frage. Jeder von uns kennt viele Jugendliche, aber eben nicht alle und wohl niemand hat einen Blick auf alle gesellschaftlichen Milieus, in denen Jugendliche leben. Grund genug also, einen neugierigen Blick auf die Sinusstudie zu richten, um zu verstehen, was jungen Menschen wichtig ist und wie sie ihr Leben leben wollen.

Die Sinusstudie der SINUS Markt- und Sozialforschung gibt Antworten auf diese Frage. 72 Jugendlichen im Alter von 14 bis 17 unterschiedlicher Herkunft und aus verschiedenen Teilen der Bundesrepublik wurden befragt und die Ergebnisse wissenschaftlich aufgearbeitet.

Die Studie ist eine wertvolle Handreichung für alle, die sich egal ob in Kirche, Politik  oder Gesellschaft ehrlich darum bemühen, Jugendliche für ein Engagement zu gewinnen. So förderte der Vortrag der Referentin der SINUS Markt- und Sozialforschung, Christine Uhlmann, viele interessante Aspekte dieser Frage zutage. Da die Studie sehr umfangreich ist, ging es um drei Hauptthemen: Liebe und Partnerschaft, digitale Medien sowie Glaube und Religion.

In Sachen Liebe und Partnerschaft ist 35 die magische Zahl, so die Referentin. Bis dahin wollen die meisten Jugendlichen verheiratet sein, in stabilen, glücklichen  Familienverhältnissen leben und Kinder haben. Erstaunlicherweise sind Eltern eher Beziehungsvorbilder als Stars der Film- und Fernsehwelt. Vertrauen, Verlässlichkeit und Ehrlichkeit machen eine stabile Beziehung aus, so der Tenor über alle Jugendmilieus hinweg. 

Was digitale Medien angeht, so ist online zu sein eine Selbstverständlichkeit. Heimat ist dort, wo es einen WLAN-Anschluss gibt. Das Smartphone bedeutet nicht nur digitale, sondern auch soziale Teilhabe. Wer online ist, ist in. Gleichwohl gibt es auch Situationen, in denen das Smartphone nervt, zum Beispiel bei Treffen im Kaffee. Der Jugend ist klar: Datenschutz ist wichtig und man braucht Medienkompetenz, unter anderem für den Beruf, wobei bildungsfernere Jugendliche digitale Medien eher als Unterhaltungsmedien denn als berufliche Notwendigkeit ansehen.  Gleichwohl, so erklärte Christine Uhlmann,  gebe es auch eine antidigitale Sozialromantik, denn den eigenen Kindern wünschen Jugendliche eine analoge Kindheit mit Buddelkastenerfahrung.

Beim digitalen Lernen herrscht die Überzeugung vor, dass Schulen der technologischen Entwicklung  hinterherhinken und Lehrer nicht unbedingt Medienkompetenz besitzen. Konflikte mit Eltern bei der Mediennutzung gibt es kaum noch, denn diese sind inzwischen selbst in der digitalen Medienwelt angekommen.  

 Glaube und Lebenssinn sind wichtige Themen. Während christliche Jugendliche bei der Sinnfrage  mehr das Woher und Wohin interessiert,  geht es muslimischen Jugendlichen um Gerechtigkeit und moralische Werte. Glaube ist eher Privatsache als ein öffentliches Thema. Muslimische Jugendliche sind beim Thema Glauben selbstsicherer als christliche Jugendliche. Nur eine Minderheit der christlichen Jugendlichen kann als tief religiös bezeichnet werden. Die Mitgliedschaft in einer Religionsgemeinschaft beruht auf familiären Traditionen. Religiöse Toleranz ist christlichen wie muslimischen Jugendlichen aller Lebenswelten wichtig. Die Religionszugehörigkeit verhindert keine Freundschaften.  Muslimische Jugendliche verurteilen den islamistischen Terror noch schärfer als christliche.

 Die Sinusstudie teilt die Jugendlichen in sieben Lebenswelten ein:

Konservativ-bürgerliche Lebenswelt: Die familien- und heimatorientierten Bodenständigen mit  Traditionsbewusstsein und Verantwortungsethik.

Sozialökologische Lebenswelt: Die nachhaltigkeits- und gemeinwohlorientierten Jugendlichen mit sozialkritischer Grundhaltung und Offenheit für alternative Lebensentwürfe.

Expeditive Lebenswelt: Die erfolgs- und lifestyle-orientierten Networker auf der Suche nach neuen Grenzen und unkonventionellen Erfahrungen.

Adaptiv-pragmatische Lebenswelt: Der leistungs- und familienorientierte  moderne Mainstream mit hoher Anpassungsbereitschaft.

Experimentalistisch-hedonistische Lebenswelt: Die spaß- und szeneorientierten Nonkonformisten mit Fokus auf Leben im Hier und Jetzt.

Materialistisch-hedonistische Lebenswelt: Die freizeit- und familienorientierte Unterschicht mit ausgeprägten markenbewussten Konsumwünschen.

Prekäre Lebenswelt: Die um Orientierung und Teilhabe bemühten Jugendlichen mit schwierigen Startvoraussetzungen und Durchbeißermentalität.

 Wer sich ins Thema vertiefen möchte, sei auf  die Möglichkeit hingewiesen, das Buch zur Studie zu erwerben und damit einige interessante Lesestunden zu verbringen.