Als prophetische Menschen leben

Adolph Kolping Denkmal am Kolpingplatz vor der Minoritenkirche in Köln. Bild: DVRS

Ein geistlicher Impuls im Oktober

ProphetInnen sind Menschen, die wachrütteln. Sie legen den Finger in die Wunden ihrer Zeit. Sie machen darauf aufmerksam, dass gesellschaftliche und persönliche Themen dringend zu einer Lösung geführt werden müssen für eine gute Zukunft. Propheten kennen sich damit aus, was in den Herzen der Menschen vor sich geht. Sie kennen sich aus und ahnen, was passiert, wenn Menschen aus ihrer Sicherheit herausgeworfen werden, wenn sie beginnen zu ergründen und zu verstehen, weshalb dieses oder jenes passiert, sie kennen sich aus und sehen, welche Abgründe sich dabei auftun können. Die ProphetInnen in biblischer Zeit holten Gott zurück in die Mitte des Lebens der Menschen. Sie predigten klar und deutlich und riefen zur Umkehr auf. Diese Propheten haben uns heute ebenso viel zu sagen wie damals. 

Als einen Nachfolger der biblischen Propheten können wir Adolph Kolping verstehen. Er sah sehr genau, was in seiner Zeit die Not der Menschen war. Er spürte sehr genau den Umbruch in der Gesellschaft. Er spürte, wie empfindsam die Menschen auf die Veränderungen reagierten und wie sehr sie herausgefordert waren. Er sah, dass Blindheit für die guten Wege und offensives Vorangehen im Guten nahe beieinander lagen. Kolping rüttelte auf.

Aufrüttelnd schrieb er einmal:
Deiner Bestimmung gedenke, mein Christ, wer du auch immer sein magst.
Halte deshalb eine Weile inne auf deinem breit getretenen Lebenswege.
Deiner Bestimmung gedenke, blicke vorwärts, wohin du strebst, schau zurück, woher du kommst, dich selber betrachte, was ist's mit dir, was bist du, was sollst du, was willst du?

Siehe, du wandelst täglich auf dem Wege zwischen deiner Wiege und deinem Grabe,
von Wahrheit und Lüge umgeben,
bald von Hass, bald von Liebe getrieben,
bald Herr, bald Knecht, bald beides zusammen,
auf und nieder schwankend in dem wechselvollen Leben in Glück und Unglück,
in Leid und Freude, in Gutem und Bösem,
wie Tag und Nacht sich treibend verdrängen und bald im Lichte dich zum Leben erwecken,
bald in Finsternis dich in todähnlichen Schlaf versenken.

Halte ein, mein Christ, stehe eine Weile stille, lass das bewegte Leben einmal an dir vorübergehen, damit dein Herz ruhiger werde und dein Verstand zu ernsterem Nachdenken sich anschicke.
(KS 9, S.4)

Adolph Kolping trifft ins Mark. In seiner bewegten Zeit des gesellschaftlichen Umbruchs sind seine Gedanken kein Wasser auf die Mühlen der damals wenig sozial denkenden Arbeitgeber und Mächtigen. Im Gegenteil, sie mussten deren Wiederstand hervorrufen. Kolping ließ sich davon nicht beeindrucken, sondern blieb bei seiner Haltung.

„Deiner Bestimmung gedenke“ – damit lädt uns Kolping ein, unseren Weg mit Gott immer wieder zu reflektieren und neu zu finden, Gott lädt uns ein zu erkennen, welche Aufgaben uns in dieser Zeit zugemutet werden. Gehen wir sie mutig und beherzt an.

Vielleicht geht es uns ein wenig so wie es Paulus ausdrückt:
„Jetzt schauen wir in einen Spiegel und sehen nur rätselhafte Umrisse, dann aber schauen wir von Angesicht zu Angesicht. Jetzt ist mein Erkennen Stückwerk, dann aber werde ich durch und durch erkennen, so wie ich auch durch und durch erkannt worden bin“ (1 Korinther 12,12).

Claudia Hofrichter, Geistliche Leiterin im DV Rottenburg-Stuttgart