Die Kirche im Abseits

Bild: Peter Weidemann in Pfarrbriefservice

Geistlicher Impuls im Juli

Die Kirche steht im Abseits ­– sie hat das Zuhören verlernt

Wer beim Fußball im Abseits steht, darf nicht mehr in das Spiel eingreifen. Der Spieler steht zwar noch auf dem Feld, ist aber zur Passivität verurteilt. Greift er doch entscheidend in das weitere Spielgesehen ein, wird nachträglich auf Abseits entschieden. Dies sind dann bange Warteminuten nach einem erzielten Tor im Stadion oder vor dem Fernseher.

Mir scheint, die katholische Kirche steht aktuell im Leben vieler Menschen im Abseits. Als ehemals wichtige Organisation mit Einfluss auf das politische und gesellschaftliche Leben, ist ihr Einfluss geschwunden. Dies hat bestimmt mehrere Gründe. Einer ist mit Sicherheit der Umgang mit dem Thema Missbrauch. Ein anderer ist die unbeantwortete Frage, wieviel Demokratie unsere Glaubensgemeinschaft verträgt. Ein dritter Grund ist das konservative Frauenbild, das viele Frauen abstößt. Nachwuchssorgen sowie die Pluralisierung der Gesellschaft und noch viele andere Themen wirken mit hinein.

Ein Fußballspieler der im Abseits steht, muss schnell schauen, dass er aus dieser Position herauskommt. Das muss auch unsere Kirche tun, auch wenn sie es ungleich schwerer hat, als ein Fußballspieler. Aber es liegt immer auch ein Teil in der eigenen Verantwortung, wenn man wieder aktiv mitwirken möchte.

Die Rückbesinnung auf das Evangelium und auf Jesus Christus sind bestimmt hilfreich. Wir sollten das Erscheinungsbild unserer Kirche unter diesem Blickwinkel reflektieren.  Passt unser aktuelles Handeln in den oben erwähnten Gründen zur frohen Botschaft und Jesus Christus, oder machen wir etwas falsch? Was können wir aus der Tradition heraus lernen? Was sind die Fragen der Zeit und welche Antworten geben wir darauf?

Eines bleibt klar. Je länger wir bewusst in der Abseitsposition verharren, umso unbedeutender werden wir.

Erst wenn unsere Kirche als Gemeinschaft wahrgenommen wird, der es um den Menschen geht, um sein Heil, um gelingende Beziehungen, um ein gutes soziales Miteinander, dann wird sie wieder eine wichtige Akteurin sein. Wenn dies in den noch verbleibenden kleinen Gemeinschaften, ob in Verbänden oder in Kirchengemeinden, sichtbar wird, dann werden wir wieder gehört und können Impulsgeber für die Gesellschaft werden.

Wenn auch heute wieder über unsere Gemeinschaften gesagt werden würde, dass wir Christen ein Herz und eine Seele sind (vgl. Apg 4,32-37). Wenn dies wieder so ist, dass wir gut miteinander umgehen, dann wird unser Beitrag in den aktuellen Diskussionen auch wieder gehört werden.

Dieser Veränderungsprozess beginnt bei mir und bei den Personen, für die ich Verantwortung habe. Höre ich ihnen zu, oder texte ich sie mit meinen Worten nur zu? Zuhören ist wichtig, damit ich verstehe, was hat mir mein Gegenüber, die Frohe Botschaft und auch Jesus zu sagen hat.

Euer Diözesanpräses Walter Humm