Noch ein Apfelbäumchen pflanzen

Bild: Peter Weidemann auf pfarrbriefservice.de

Ein geistlicher Impuls im Mai von unserer geistlichen Leiterin im Diözesanverband Claudia Hofrichter

„Wenn ich wüsste, dass morgen die Welt untergeht, würde ich heute noch einen Apfelbaum pflanzen.“ – Das Zitat, das Martin Luther zugeschrieben wird, ist ein Wort voller Hoffnung für unsere Zeit.

Luthers Satz lässt tiefes Gottvertrauen erahnen. Trotzig stellt er sich mit diesem Gedanken zuversichtlich allen dunklen Zukunftsprognosen seiner Zeit entgegen. Die dunklen Seiten dieser Welt bedrängen viele von uns heute in unterschiedlicher Weise: Die Klimawende noch steuern zu können, die Kriege dieser Welt zu beenden, die vielen aufständischen Gruppen in vielen Ländern befrieden, die Folgen der Pandemie bewältigen, die Auswüchse im Umgang mit den Themen der Zeit einordnen lernen, die persönlichen Lebenseinschnitte betrauern, deuten und gestalten.

Niemals aufgeben, dran bleiben mit Analysen, machbaren Zielsetzungen und pragmatischem Angehen von Lösungen und diese dann umsetzen. Würde die Welt untergehen, dieses Apfelbäumchen würde ich pflanzen. Genau das entspricht dem christlichen Menschenbild und Handlungsauftrag: Sich nicht beeindrucken lassen von der beinharten Schwere der Themen, sondern mutig darauf zu steuern und mitgestalten – mag es auch anstrengend sein. Nein, es ist gerade keine Stimmung, um gemütlich auf der Couch zu sitzen. Steh auf, bewege ich, ist die Option, die wir meinem Empfinden nach brauchen.

Mit dem Apfelbäumchen verbinde ich Fruchtbares. Wo wir Zerstörung erleben, kann Neues wachsen. Wo wir den Eindruck haben, es gibt keine Hoffnung mehr, zeigen sich kleine Blüten, dass es doch weiter geht. Einen Apfelbaum zu pflanzen verbinde ich damit, über den eigenen Horizont hinauszuschauen. Alles, was wir pflanzen, ist den realen Gegebenheiten des Lebens ausgesetzt und nur teilweise planbar und im Griff  zu haben. Beweglich sein, das Wachstum und die Veränderungen beim Wachsen wahrnehmen und dann die Früchte ernten, die Kleinen und die Großen, dazu möchte ich uns ermutigen.

Unser neues Leitbild und unseren Arbeitsschwerpunkt „Klimawende“ in Diözesanverband stark im Blick zu haben, das kann wie das Pflanzen des Apfelbäumchens ein Ansturm gegen die Hoffnungslosigkeit werden. Das kann das große Symbol für die Haltung von uns Kolpinggeschwistern sein, diese Erde zu bewahren und zu hüten.

Übrigens: Ich habe es einmal gemacht – einen Apfelbaum gepflanzt. Am hohen Karfreitag vor 18 Jahren habe ich mich das getraut. Es war ein trüber, kalter Regentag. Ich wünschte mir dieses Hoffnungszeichen in meiner damaligen Situation. Und ich bin belohnt worden. Mein Apfelbaum trägt in jedem Jahr Früchte – mal mehr, mal weniger. Und ich freue mich jeden Tag am Blick auf meinen Apfelbaum, wenn ich aus dem Fenster schaue oder im Garten stehe. Er erinnert mich an meine meist unerschütterliche Hoffnung, dass ich etwas bewegen kann und soll.

Claudia Hofrichter