May you enjoy divine presence – Mögest du die göttliche Gegenwart genießen
Hat Euch das schon mal jemand gesagt? Im ersten Moment war ich perplex und dachte: ein bisschen sehr fromm. Die E-Mail, in der das stand, kam aus Ghana. Die Person, die mir das schrieb, kenne ich nicht persönlich, nur aus Mails. Dann las ich nochmal. Und beim zweiten Lesen wurde mir ganz warm ums Herz. Das ist nicht einfach eine Floskel. Und ich dachte: Was kann mir heute Besseres passieren als dieser Wunsch.
Was ich damit verbinde:
Ich bin eingehüllt in die göttliche Gegenwart – ich darf glauben und vertrauen, dass die göttliche Gegenwart mich umgibt. Nicht nur manchmal, sondern immer. Die ghanaischen Christen glauben genau das: Die gesamte Gegenwart ist von Gott umhüllt und erfüllt. Das habe ich bei meinen Besuchen dort als Geschenk für meinen Lebensweg empfangen: In diesem Vertrauen kann man leben, auch wenn man nicht auf der Sonnenseite des Lebens steht. Dann müsste ich es erst recht können. Ich muss zugeben, dass ich es manchmal vergesse. Und wenn ich wieder daran denke, habe ich das Gefühl, etwas verpasst zu haben.
Die Mystikerin Juliane von Norwich (1342–1413 (?)) beschreibt einmal die Beziehung Jesu Christi zu uns Menschen so: „Ich sah, dass Er für uns alles ist, was immer sich uns als gut, trostreich und hilfreich erweist. Aus Liebe ist Er unsere Kleidung; denn Er umfängt und umhüllt uns, umarmt und umschließt uns; in zärtlicher Liebe umschwebt Er uns, auf dass Er uns nie allein lasse. Und daraus erkannte ich in Wahrheit, soweit mein Verstehen reichte, dass Er in allem das Gute ist.“
Nichts anderes meint: May you enjoy divine presence. In dieser umfangenden Liebe gründet auch die Würde des Menschen. Wer Christus angezogen hat – wie es Paulus im Brief an die Gemeinde in Galatien sagt –, will sich täglich mehr und mehr mit Jesus Christus verbinden und in das Leben aus dem Evangelium hineinwachsen, will immer mehr eintauchen in die Haltungen und Einsichten Jesu, um durch alles und in allem die Gegenwart Gottes zu genießen.
Welch‘ eine Herausforderung! Genau deshalb ist das etwas für uns Kolpinggeschwister: Jeden Tag sich mehr der göttlichen Gegenwart und dem Evangelium Jesu anvertrauen und so die Zukunft unseres Kolpinghandelns heute zu gestalten: Neugierig und respektvoll gegenüber Neuem, auch wenn das Neue mir noch fremd ist oder Widerstand und sogar Gegnerschaft in mir auslösen möchte. Offen seiend und stets fragend, wie sich neue Gedanken und Positionen anderer herleiten und verstehen lassen. Sich immer in die göttliche Gegenwart hineingebend, weil sie das Gesicht der Welt verändert.
Claudia Hofrichter, geistliche Leiterin DV Rottenburg-Stuttgart