"Gerechtigkeit schafft sozialen Frieden" lautete das Thema beim diesjährigen Bezirkstag des Kolpingwerks Zollernalb in Balingen-Roßwangen, zu dem Bezirksvorsitzender Hubert Gulde zahlreiche Besucherinnen und Besucher willkommen heißen konnte. Der seit Jahrzehnten erfahrene Betriebsseelsorger Paul Schobel aus Böblingen war hierfür genau der richtige Referent und Gesprächspartner und ging bereits im Gemeindegottesdienst auf die Thematik ein, mit dem das Tagesprogramm begann.
Anknüpfend an die biblischen Texte über den Stier als Kennzeichen der Götzen des unendlichen Wachstums verglich Schobel in seinem anschließenden Vortrag im Gemeindesaal den Börsenstier als Symbolfigur des Kapitalismus mit dem "Goldenen Kalb", um das nach dem Gesetz des Stärkeren auch heute getanzt werde. Dieser "Stier", den es zu bändigen gelte, solle zwar seine Kraft entfalten, aber eben zum Wohle aller. Zur politischen Regulierung und Förderung der sozialen Gerechtigkeit biete die Katholische Soziallehre seit Beginn der Industrialisierung immer wieder umsetzbare Konzepte, erinnerte der Referent und zählte in diesem Zusammenhang neben "Rerum Novarum", der Sozialenzyklika des "Arbeiterpapstes" Leo XIII., auch Bischof Ketteler und den Gesellenvater Adolph Kolping als Vorbilder auf.
Ausgehend vom letzten Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung rangierten bei uns schon über 15 % an oder über der Armutsschwelle, und das in einem reichen Land, kritisierte Schobel. Betroffen seien hauptsächlich Kinder, Alleinerziehende, Langzeitarbeitslose und Einkommensarme, vor allem auch alte Menschen; zu einem Hauptproblem sei leider der bezahlbare Wohnraum geworden. Demgegenüber gebe es aber auch Reichtum in Deutschland, wobei die Definition von "reich" ab dem Doppelten des mittleren Einkommens beginne. Zumal eine Vermögensteuer nicht erhoben werde, gingen Schätzungen davon aus, dass inzwischen die reichsten 10 % der Haushalte etwa 60 % des Gesamtvermögens besitzen.
Als weiteren klaffenden Riss bezeichnete der Referent ungleiche Löhne für die geleistete Arbeit und erinnerte an die "Amerikanisierung" der Wirtschaft mit obszönen Managergehältern. Der Verschleuderung von Volksvermögen und "totem Kapital" stehe ein explodierender Niedriglohnsektor entgegen, auch weil viele Unternehmen aus der Tarifbindung fliehen, so Schobel. Neben der Einhaltung von Tariftreue und entsprechendem Verbraucherverhalten verwies Schobel aber auch auf Jesus, von dem bei Lukas überliefert sei: "Wer arbeitet, hat Recht auf seinen Lohn."
Sodann ging der leidenschaftliche Betriebsseelsorger auf die soziale Sicherung ein und nannte das jetzige Rentensystem als nicht mehr finanzierbar. Einkommensschwache könnten sich keine private Vorsorge leisten und Jüngere müssten demnach immer noch länger arbeiten, um schließlich trotzdem weniger Rente zu bekommen. Ähnliche Missstände gebe es in der Kranken- und Pflegeversicherung, aber die soziale Sicherung gehöre zur Grundversorgung der Bevölkerung und habe am Markt nichts verloren; das Prinzip der Solidarität sei unbedingt neu zu verankern, forderte Schobel deutlich. Für das eigene Verhalten riet der Referent zur Entwicklung einer Sensibilität für die neue "Soziale Frage", das Einüben von Teilen und Solidarisieren sowie eine offene Hand, ein offenes Ohr und ein offenes Herz für die Betroffenen in der eigenen Umgebung. Zum Schluss ermunterte Paul Schobel zum Vertrauen auf die Verheißung des Propheten Jesaja (Jes 32, 17): "Das Werk der Gerechtigkeit wird der Friede sein, der Ertrag der Gerechtigkeit sind Ruhe und Sicherheit für immer".
Langanhaltender Beifall der aufmerksamen Zuhörer zeugte davon, dass der prominente Redner mit seiner Botschaft gut ankam. Auch auf die nachfolgend aus dem Publikum gestellten Fragen und Einwürfe zum Tagesthema ging der Betriebsseelsorger kompetent ein und Bezirksvorsitzender Hubert Gulde beschloss mit herzlichem Dank an alle Verantwortlichen und Gäste das Programm.