Ein ganz anderer Gedenktag

Die Kolpingsfamilie Ergenzingen hat in ihrem Jubiläumsjahr mit den Donauschwaben der Opfer der Vertreibung gedacht. Es war ein Tag gegen das Vergessen, der gegenseitigen Wertschätzung sowie des Dankes und der Freude über das Gelungene.

In Ergenzingen haben wir im September unter anderem die Demokratie gefeiert und einen Akt demokratischen Handelns gesetzt. Kolpingsfamilie und Donauschwaben haben auf dem Friedhof ein 80-jähriges Gedenken begangen: Das Gedenken an die Opfer der Vertreibung der Donauschwaben aus ihrer Heimat in den Jahren 1944-48 und den Neubeginn an den Orten, an denen sie aufgenommen wurden. Viele sind gekommen: Diejenigen, die damals hierherkamen und noch unter uns sind und ihre Nachkommen. Dazu Ergenzinger und Kolpingmenschen, die sich einig sind, dass es darum geht, das geschichtliche und auch das persönliche Erbe gegen das Vergessen und gegen eine Geschichtsverlorenheit zu erinnern.

Claudia Hofrichter betonte in ihren Gedenkworten: „Wir heute können nur erahnen, was in den Herzen der damaligen Kinder, der Familien, der Vertriebenen vor sich ging. Sie hatten einen langen Weg hinter sich, bis sie in Ergenzingen ankamen. Wie lange mag es gedauert haben, die Grausamkeiten und Entbehrungen, die persönlichen Verluste dieser Zeit so zu verarbeiten, dass ein glückliches Leben möglich wurde und das Erzählen der Erinnerungen. Einige sind daran zerbrochen, viele haben alles darangesetzt, sich ein neues Leben aufzubauen – wohlwissend, dass Flüchtlinge und Heimatvertriebene zunächst weder hier noch anderswo in die Arme geschlossen wurden.“

Ortsvorsteher Timo Wachendorfer würdigte, wie stark sich die Donauschwaben in Ergenzingen einbrachten, sie bauten nicht nur ihre Häuser, um hier heimisch zu werden, sondern sie wirkten mit an der Weiterentwicklung Ergenzingens, sie bauten mit an der Trauerhalle auf dem Friedhof, beim DRK-Rettungszentrum und beim TUS-Vereinsheim. Und sie teilten durch eigeninitiierte Veranstaltungen das kulturelle Leben am Ort.

Jürgen Harich, Bundesvorsitzender der Landsmannschaft der Donauschwaben und Präsident des Weltdachverbandes der Donauschwaben, gehört als Mittvierziger zu den Nachkommen der Donauschwaben. Berührend erzählte er aus seiner eigenen Familiengeschichte. Es war zu spüren, wie sehr einige sich zurückversetzt fühlten in die schwerste Zeit ihres Lebens, sich erinnerten und gedachten.

Der Tag war gleichzeitig ein Fest für unsere Kolpingsfamilie, die 75 Jahre jung ist und zur Hocketse eingeladen hatte. Zugegeben, wir hatten wärmere Temperaturen erwartet. Der Umzug vom Pfarrgarten in den Härle-Saal ermöglichte ein schönes Feiern, zusammensitzen gemeinsam mit den Donauschwaben und allen, die aus dem Ort Lust hatten, dabei zu sein. Wer die Runde durch den Saal machte, konnte an vielen Lebensgeschichten Anteil nehmen. Unsere Fotobox kam gut an und es entstanden zahlreiche humorvolle Bilder in den unterschiedlichsten Kombinationen von Menschen, die sich vor der Fotobox zusammenfanden. 

Ein Hit war unser Start von 100 Luftballons mit angehängter Karte. Wer eine Karte zurückschickt, erhält zwei Freikarten für unsere Kolpingtheatersaison im Januar 2025. Wir sind gespannt. 

Wunderbar waren unsere legendären Crêpes. Ellen, Conny und Nadine vom Verein Bürgerengagement Oberes Gäu sind jetzt Meisterinnen der Crêpes-Bäckerei. Danke für Eure großartige Unterstützung. Tausend Dank an Alexander vom Ortschaftsrat, der die Würstlegrillstation übernommen hatte. Oliver hat die Technik bereitgestellt, Sportgruppe, Vorstandsmitglieder – viele hatten mitgeholfen, dass wir ein buntes Fest feiern konnten.

In der Kirche gab es ein geistliches Programm, das man sich selbst erschloss und guten Anklang fand. Trachtenfiguren der Donauschwaben, Literatur und ein Film erinnerten die Traditionen und die Geschichte für die Gegenwart. Dafür war Niko Sieler verantwortlich. Herzlichen Dank. Stationen mit Kolpingzitaten erschlossen wichtige Themen und Haltungen Kolpings für unsere Zeit.

Was zunächst einfach als Hocketse für alle Ergenzinger*innen von der Kolpingsfamilie gedacht war, wurde zu einem Tag der Demokratie und der Menschenrechte. Kolpingsfamilie und Donauschwaben sind zu Verbündeten geworden. Text: Dr. Claudia Hofrichter

 

Bemerkenswert: 

Demokratie muss jeden Tag erneuert werden. 2007 wurde der 15. September von der Generalversammlung der Vereinten Nationen zum Internationalen Tag der Demokratie erklärt. Das Bündnis für Demokratie und Menschenrechte fördert die damit verbundenen Grundrechte. Ordinariatsrätin Karin Schieszl-Rathgeb, Leiterin der Hauptabteilung Kirche und Gesellschaft in der Diözese Rottenburg-Stuttgart spricht pointiert aus, worauf es ankommt: "Solidarität, Demokratie und gerechter Friede, kulturelle Vielfalt und die gemeinsame Verantwortung für die Welt zu schützen und zu erhalten, ist unser Beitrag zum Gemeinwohl. Wenn wir als Christinnen und Christen dem Rechtsextremismus in unserer Gesellschaft entgegentreten wollen, dann mit einem klaren Bekenntnis zu unseren christlichen Werten. Allen voran steht der Schutz der Schwächsten in unserer Gesellschaft. Deshalb schließen sich demokratiefeindlicher Extremismus und Christsein aus."