Advent und Weinachten: In Ihm leben wir, bewegen wir uns und sind wir (Apg 17,28)
Auf der Straße traf ich ein kleines frierendes Mädchen, zitternd in einem dünnen Kleid, ohne Hoffnung, etwas Warmes zu essen zu bekommen. Ich wurde zornig und sagte zu Gott: "Wie kannst Du das zulassen? Warum tust Du nichts dagegen?" Eine Zeit lang sagte Gott nichts. Aber in der Nacht antwortete Er ganz plötzlich: "Ich habe wohl etwas dagegen getan. Ich habe dich geschaffen."
Von Anthony de Mello, dem bereits verstorbenen indischen Jesuiten und Meister des Erzählens stammt diese kleine Geschichte. Sie hat mich berührt. So gebe ich sie euch gerne in die Advents- und Weihnachtszeit mit.
Diese ungewöhnliche Weihnachtsgeschichte nimmt der Warum-Frage – dieser ständigen Suche nach Antworten auf die Ungerechtigkeiten dieser Welt und des persönlichen Lebens – etwas von ihrem deprimierenden Stachel. Auf die Warum-Frage hätten wir gerne Antworten. Ich wüsste selbstverständlich gerne, weshalb gerade meine Freundin eine unheilbare Diagnose mit begrenzter Lebenserwartung traf. Ich möchte eine Antwort, wieso viele Regierenden auf der Welt unmenschlich gegenüber Menschen handeln und deren Würde verletzen und mit Füßen treten. Ich wüsste gerne, weshalb Corona so unbarmherzig lange wüten kann und Menschenleben kostet. Ich wüsste gerne, …
Die Antwort, mit der mein Kopf und mein Gefühl zufrieden wären, bleibt aus. Und das kenne ich ein Leben lang. Die Warum-Frage wurde mir selten beantwortet. Da half alles Grübeln nicht weiter. Oft half dann – so merkwürdig das klingen mag – das Geschehen lassen. Nein, das ist keine Passivität, sondern vielmehr eine besondere Art, aktiv zu sein. Denn Geschehen lassen setzt in mir etwas frei, was mich in eine neue Richtung denken lässt – nämlich in die Suche nach meiner Aufgabe in der jeweiligen Situation. Und ich spüre dann, dass ich meine Freundin begleiten kann auf ihrem Weg, dass ich zur Bewusstseinsbildung beitragen kann und zum Beispiel an der monatlichen Amnesty-international-Briefschreibeaktion an ungerechte Machthaber mich beteiligen kann, dass ich Impfgegnern konsequent mit meiner Haltung gegenübertreten kann.
Ich glaube, Gott hat damals vor über 2000 Jahren Jesus geschickt, dass er genau das ausrichtet, nämlich dem grübelnden Warum das neue Handeln aus Liebe entgegenzustellen. Ich glaube, dass genau das unser Weg als Kolpingmenschen ist, uns von Gott rufen zu lassen zu diesem Handeln, das die Welt besser werden lässt. Ich glaube, dass genau das unser Advents- und Weihnachtsweg werden kann, um zu ahnen, was Paulus mit seinem philosophischen Satz meint: „In ihm – dem göttlichen Leben – leben wir, bewegen wir uns und sind wir“ (Apg 17,28).
In diesem Sinn `s Chreschtkendle ens Herz“.
Claudia Hofrichter