Kolpingleute unterwegs in Berlin

Wortwolke beim Festuval of Lights am Berliner Dom. Bild: Claudia Hofrichter

Mitglieder der Kolpingsfamilie Ergenzingen waren auf einducksvoller politischer Bildungsreise in der Bundeshauptstadt.

Auf politischer Berlinreise waren sieben Mitglieder der Kolpingsfamilie Ergenzingen vom 6. bis 9. Oktober. Die pulsierende Weltstadt hieß uns willkommen und zog uns in ihren Bann. Dieser Bericht ist auch mit einigen Fotos verfügbar.

Auf Einladung von Martin Rosemann, SPD, MdB, waren einige Kolpinggeschwister im politischen Berlin unterwegs. Mit der Reiseeinladung war der Dank für unsere gesellschaftspolitische Arbeit verbunden. Zwei Reisetage, zwei Berlintage – das kosteten wir aus. Es war ein umfangreiches Programm für uns geplant worden: Wir starteten mit einer Stadtrundfahrt zu historisch, kulturell und politisch wichtigen Orten. Das bot uns auch Einblicke in die ehemals geteilte Stadt und wie sie sich dann nach der Wiedervereinigung entwickelt hat.

Im Plenarsaal des Deutschen Bundestags erfuhren wir viel von der Geschichte dieses Saales, über die Sitzordnung, über die Arbeitsweise in den Sitzungswochen der Abgeordneten, über den Bundesadler, der liebevoll auch „fette Henne“ genannt wird. Er besteht aus 2,5 Tonnen Aluminium, ist circa 7 Meter hoch und mehr als  8 Meter breit. Der Besuch der Kuppel mit eindrucksvollen Blicken über die Stadt und auf viele Regierungsgebäude ist ein Muss und ein großes Erlebnis. Im Bundestagsgebäude fand dann auch unser Gespräch mit Martin Rosemann statt, der uns über die aktuellen Themen seiner Arbeit berichtete und sich allen Fragen der Gruppe stellte. Ein kleines Schmankerl gab es hier: Auf der Zugreise sollten wir – ein bisschen wie in der Schule – einen Politiktest machen und viele Fragen beantworten. Für die Besten gab es Preise. Gleich zwei Tassen gingen an Teilnehmende unserer Kolpinggruppe.

Die Führung im Dokumentationszentrum „Topographie des Terrors“ machte uns eine Zeit der Geschichte neu bewusst, von der wir heute auch sagen müssen „Nie wieder ist jetzt“. Im Mittelpunkt der Dauerausstellung „Topographie des Terrors“ stehen die zentralen Institutionen von SS und Polizei im „Dritten Reich“ sowie die von ihnen europaweit verübten Verbrechen. Die Ausstellung gliedert sich in fünf Kapitel:

  1. Die nationalsozialistische Machtübernahme
  2. Institutionen des Terrors (SS und Polizei)
  3. Terror, Verfolgung und Vernichtung im Reichsgebiet
  4. SS und Reichssicherheitshauptamt in den besetzten Gebieten
  5. Kriegsende und Nachkriegszeit 

Das exzellente Wissen unserer Begleitpersonen durch die Dokumentation machte uns nicht nur Geschichte bewusst, sondern auch die Verantwortung, die wir gegen das Vergessen haben.

Der Besuch der Gedenkstätte Berliner Mauer an der Bernauer Straße führte uns an einen Ort, der für einige Teilnehmende Geschichtswissen bedeutete, für andere Erfahrungswissen und für viele Erinnerungswissen an ein in zwei Staaten getrenntes Deutschland. Was Menschen Menschen antun können, wurde uns auch hier ins Gedächtnis gerufen. Diktaturen fordern immer Menschenleben. Darin liegt größtes Unrecht. Unser Auftrag ist es, in einem Land, in dem wieder polarisierende und demokratiefeindliche Kräfte auftreten, alles zu tun, damit die Demokratie als die beste Staatsform weiterhin Bestand hat.

Im Bundesministerium für Arbeit und Soziales bekamen wir einen Einblick in die konkrete Arbeitsweise der Politik. „Wir sind eine Behörde“, sagte die Referentin gleich zu Beginn. Leichtes Zusammenzucken, denn Behördenarbeit hat nicht nur einen guten Ruf. Dann erläuterte sie die klaren Regeln, durch die ein zielgerichtetes Arbeiten erst möglich wird und alle ihre Aufgaben kennen in der Vorbereitung politischer Entscheidungen, die dann im Parlament getroffen werden. 80 Prozent des Koalitionsvertrages der Ampelregierung seien abgearbeitet, hörten wir hier – nachzuvollziehen auf den Homepages der Bundesregierung.

In der Landesvertretung Baden Württemberg fühlte man sich fast wieder in „THE LÄND“. Die Landesvertretung ist die Koordinierungsstelle zwischen Landes- und Bundespolitik. Die Landesvertretung hat dabei die Aufgabe, baden-württembergische Vorstellungen wirkungsvoll einzubringen und gegebenenfalls nachteiligen Entwicklungen für das Land entgegenzusteuern. Darüber hinaus ist sie ein Ort für kulturellen Austausch.

Natürlich waren wir im Kolpingdress bei allen offiziellen Veranstaltungen und wurden als Kolpingsfamilie wahrgenommen. Wir haben das genutzt, um von uns und unserer Arbeit zu erzählen. Viele waren sehr interessiert und wollen weitere Informationen. Auch neue Kolpingtheaterbesucher*innen konnten wir gewinnen.

Das Berliner Nachtleben haben wir ebenfalls ausgekostet. In Berlin findet aktuell das Festival of Lights statt. Magische Lichtinszenierungen finden auf den berühmtesten und beliebtesten Gebäuden und Plätzen statt. Fasziniert standen wir da und schauten und schauten. Unsere Augen konnten sich kaum satt sehen. Die Installation am Dom war durchaus etwas Besonderes für uns Kolpingmenschen. Da erstrahlten in einer Wortwolke Werte und Haltungen wie Respekt, Vertrauen, Leidenschaft, Toleranz, Güte und Demut. Am Brandenburger Tor gab es viele Spots zur Geschichte, ebenso am Humboldtforum.

Wie sehr „Inklusion und Teilhabe“ ein Thema unserer Gesellschaft sind, spürten wir durch unsere beiden Rollstuhlfahrerinnen, die ein Berlin erlebten, dass in Sachen Barrierefreiheit noch viel Luft nach oben ist. Manches sonst vielleicht gewohnte Tempo wurde etwas aus der Gruppe herausgenommen. Auch ein Vorteil. Der behindertengerechte Bus, mit dem wir durch Berlin fuhren, ist eine technische Errungenschaft. Mit dabei ein Busfahrer, der mit Ruhe und Gelassenheit durch Berlin steuerte und uns sicher von Ort zu Ort brachte.

Unser Dank gilt nicht nur den Planer*innen und Gastgeber*innen in Berlin und unserer Reisebegleitung, sondern auch unseren beiden Bürgerbusfahrern aus Ergenzingen, die uns am Sonntag in aller Herrgottsfrühe zum Tübinger Bahnhof brachten und am Mittwoch nach Feierabend wieder abholten.

Dr. Claudia Hofrichter