Die Aktion Hoffnung musste im ersten Halbjahr einige Straßensammlungen absagen. Warum?
Unsere Straßensammlungen beruhen größtenteils auf dem ehrenamtlichen Engagement vieler Freiwilliger aus Kirchengemeinden und Verbänden, auch aus Kolpingsfamilien. Bei solchen Aktionen packt man gemeinschaftlich an, um an einem Samstagvormittag zig Tonnen gebrauchter Textilien zu erfassen. Wie alle Gemeinschaftsaktionen in den vergangenen Monaten mussten auch wir schweren Herzens unsere Sammlungen im Frühjahr wegen der Corona-Pandemie absagen bzw. auf einen späteren Zeitpunkt verschieben.
Wobei: Kurz vor dem flächendeckenden Lockdown konnten wir nach intensiver Beratung mit den Verantwortlichen vor Ort die größte Sammlung in der Diözese Rottenburg-Stuttgart, die Sammlung im Dekanat Allgäu-Oberschwaben, noch durchführen. Das war rückblickend eine Punktlandung, denn nur wenige Tage später hätten wir die Durchführung nicht mehr verantworten können.
Man hört auch immer wieder, dass der Altkleidermarkt zusammengebrochen ist. Was steckt genau dahinter?
Diese Aussage ist tatsächlich nicht übertrieben. Der Markt für gebrauchte Textilien ist schon vor der Corona-Pandemie in einer strukturelle Krise geschlittert. Als vorrangigen Grund kann man die enorme Menge an gebrauchten Kleidern in schlechter Qualität nennen. Kleidung ist in den vergangenen Jahren zu einem reinen Konsum-, nein eher schon Wegwerfartikel geworden. Anders ausgedrückt: Im Gegensatz zu früher wird bei der Produktion von Kleidung heute immer weniger an eine Sekundärnutzung gedacht. Die Kundinnen und Kunden verlangen dies auch nicht mehr. Stattdessen soll Kleidung heute möglichst billig sein – ein T-Shirt ab zwei Euro ist bei zahlreichen Discountern und Billiganbietern keine Seltenheit mehr. An die sozialen und ökologischen Kollateralschäden mag man dabei gar nicht denken.
Ein solches T-Shirt kann nach ein paar Mal Tragen aber nicht mehr weitergegeben werden, auch, weil die Stoffe gar nicht mehr sortenrein sind, sondern aus Kostengründen zunehmend auf Mischgewebe gesetzt wird, das nicht mal mehr zu Malervliesen oder Dämmmaterialien weiterverarbeitet werden kann. Solches Material muss, so traurig dies auch ist und so sehr es der Intention der Kleiderspende widerspricht, kostenpflichtig direkt in die thermische Verwertung gefahren, also verbrannt werden.
Das Verhältnis von guter zu schlechter Kleidung in den Kleidercontainern hat sich also in den vergangenen Jahren verschoben. Und in dieser Krise hat uns nun die Corona-Pandemie getroffen. Diese hat dazu geführt, dass der Absatz von sortierter Kleidung komplett zusammengebrochen ist. Durch die erzwungene Schließung von Grenzen, aber auch Absatzmöglichkeiten auf Märkten und in Second Hand Shops, ist keine Ware mehr abgeflossen. Dieses an sich schon gravierende Problem wurde noch dadurch verschärft, dass während des Lockdowns offensichtlich viele Haushalte die Zeit genutzt haben, um ihre Kleiderschränke auszumisten. Das hat zeitweise zu stark steigenden Sammelmengen geführt, während auf der anderen Seite nichts mehr abgeflossen ist – eine Situation, die bereits kurzfristig existentiell wird.
Was bedeutet das für die Aktion Hoffnung?
Mit Blick auf die Corona-Pandemie mussten wir uns dazu durchringen, mehrere hundert Tonnen gespendeter Kleidung extern einzulagern. Dieser Schritt bringt hohe Kosten mit sich. Denn auf der einen Seite fehlen die Erlöse aus dem Verkauf der Ware, auf der anderen Seite ist die logistische Abwicklung der Einlagerung sehr kostspielig. Und es ist Stand heute ungewiss, wann und zu welchem Preis die eingelagerte Ware überhaupt abgesetzt werden kann. Diese Erlöse fehlen aber bei der Finanzierung der Entwicklungshilfeprojekte und Bildungsvorhaben unserer Mitgliedsverbände und Partner in der Diözese. Auch Vorhaben der Kolpingsfamilien, welche wir in „normalen“ Zeiten bereitwillig kofinanziert haben, sind davon betroffen. Selbst wenn wir die Pandemie und die damit verbundenen Einschränkungen hoffentlich bald überstanden haben, wird das aus meiner Sicht nichts an dem Grundproblem in der Altkleiderbranche ändern. Wir werden uns auch künftig mit riesigen Mengen Altkleider in schlechter Qualität auseinandersetzen müssen, welche das Finanzierungsmodell der Sammlungen insgesamt in Frage stellen.
Welche Verwertungsquote habt ihr?
Normalerweise ist knapp die Hälfte der gespendeten Kleidung unter modischen und qualitativen Gesichtspunkten noch tragbar. Ein Hemd mit zerschlissenem Kragen oder einen 50 Jahre alten Hochzeitsanzug wollen auch bedürftige Menschen nicht mehr tragen – das ist auch gut und richtig so. Rund 35% der gespendeten Kleidung kann aber noch zu Sekundärrohstoffen wie Malervliesen oder Dämmmaterialien weiterverarbeitet werden. Das ist alleine schon unter ökologischen Gesichtspunkten wichtig. Der Rest, etwa 15% mit steigender Tendenz, muss kostenpflichtig entsorgt bzw. verbrannt werden. Hierbei handelt es sich um textilfremde Störstoffe, also Restmüll, Bioabfälle, Sonderabfälle –alles, was nicht in einen Kleidercontainer gehört. Auch der Anteil an nicht mehr verwertbaren Textilien steigt wegen der Mischgewebe (wie oben beschrieben).
Was geschieht mit guter Kleidung?
Ein Teil der noch tragbaren Kleidung geht über die Sammelzentrale Aktion Hoffnung in Laupheim als Hilfsgut an karitative Partner weltweit, wo sie an Bedürftige verteilt wird. Ein weiterer Teil, der von einem Partner der Aktion Hoffnung auf der Schwäbischen Alb nach den strengen Kriterien des Dachverbands FairWertung sortiert und gehandelt wird, geht an Händler weltweit. Die Erlöse schließlich sind die Verfügungsmasse der Aktion Hoffnung, um ihre Satzungszwecke zu verfolgen.
Die Aktion Hoffnung geht bei der Vermarktung von Altkleidern ganz neue Wege zum Beispiel mit Secontiquen und Angeboten auf Ebay. Wie lässt sich das an?
Nach dem Motto „Auf einem Bein steht es sich schlecht“ haben die Mitgliedsverbände der Aktion Hoffnung schon vor ein paar Jahren erkannt, dass wir in die Direktvermaktung von gebrauchten Kleidern einsteigen müssen. Damit wollten wir letztlich auch unsere Spenderinnen und Spender direkter ansprechen und ihnen die Möglichkeit geben, ihre gut erhaltenen Lieblingsteile persönlich zu spenden. Also haben wir unser Second Hand Shop Konzept unter dem Label SECONTIQUE so konzipiert, dass gebrauchten Kleidungsstücken sowohl bei der Spende als auch beim anschließenden Wiederverkauf in einer ansprechenden Atmosphäre eine Wertschätzung entgegengebracht wird. In unseren ersten Shops in Albstadt und Ulm wird das sehr gut angenommen, so dass wir uns dazu entschieden haben, im Juli in Stuttgart und im September in Aalen weitere Shops zu eröffnen. Ziel der Direktvermarktung ist es wie im Containerbereich, Mittel für die Entwicklungshilfeprojekte und Bildungsvorhaben zu erwirtschaften.
Als wir dann Mitte März wegen Corona unsere Shops schließen mussten, haben wir letztlich eine Idee vorgezogen, mit deren Umsetzung wir erst zu einem späteren Zeitpunkt starten wollten. Um potentiell einen größeren Kundenkreis anzusprechen und dem Kaufverhalten vieler Menschen entgegenzukommen, haben wir uns dazu entschieden, unsere Kleidung zusätzlich auch online, zunächst über eBay anzubieten (www.ebay.de/usr/secontique). In diesen Bereich haben wir in den letzten Wochen viel Zeit investiert, lernen jeden Tag noch dazu, aber sind zuversichtlich, diesen Kanal mittelfristig etablieren zu können.
Wie können wir Kolpinger in dieser angespannten Situation die Aktion Hoffnung unterstützen?
Wir freuen uns nach wie vor über jede gut erhaltene Kleiderspende, die in unsere Container geworfen oder in einem unserer Shops abgegeben wird. Ganz wichtig: Mit nicht mehr tragbarer, zerschlissener, kaputter Kleidung können auch wir nicht mehr viel anfangen und müssen diese ggf. ebenfalls entsorgen.
Deshalb: Spendet bitte nur Kleidung, die ihr auch selbst noch tragen würdet.
Und es ist toll, wenn wir Kolpingschwestern und -brüder in einem unserer Shops als KundInnen begrüßen dürfen. Und helfende Hände finden bei uns immer Arbeit – ganz wichtig: Arbeit für eine gute Sache!